Fragestellungen

Die wissenschaftliche Begleitung des Projekts der bewegten Grundschule orientierte sich an der Hauptfragestellung nach den Wirkungen des Konzeptes auf die Beteiligten der bewegten Schule (Kinder, Lehrer, Eltern).

  • Wie kann eine umfassende Bewegungserziehung im Schulalltag realisiert werden?
  • Welche Wirkungen hat das Konzept bewegte Schule auf die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen?
  • In welcher Weise kann das Konzept von Lehrer/innen umgesetzt werden?
  • In welcher Weise nehmen die Eltern das Konzept der bewegten Schule an?
  • U. a.

Untersuchungsmethodisches Vorgehen

Klassen 1 bis 4

Untersuchungsmethodisches Vorgehen (Klassen 1 bis 4)

Im Rahmen einer modifizierten Kontrollgruppenanordnung wurden die einzelnen Perspektiven (Kinder, Lehrer, Eltern) sowie deren gegenseitigen Beziehungen (siehe Tabelle) in einer Längsschnittstudie von 1996 bis 2000 untersucht (4 Versuchsschulen und 3 Kontrollschulen in und um Dresden).

Der Versuchsplan kann gekennzeichnet werden als Design mit Messwiederholung bei 5 Messzeitpunkten. Im Längsschnitt verblieben nach vier Jahren 149 Versuchsschüler und 81 Kontrollschüler. Für die einzelnen Perspektiven wurden entsprechende Untersuchungsverfahren ausgewählt.

Beziehungen zwischen Perspektiven und untersuchten Sachverhalten
Gegenstand der BetrachtungPerspektive KindPerspektive LehrerPerspektive Eltern
KindXXX
Lehrer(X)X(X)
Eltern(X)(X)X
Kontext
– soziale Beziehungen
– Konzept
– Bedingungen

X
X
X

X
X
X

X
X
X
Legende: Sachverhalt wurde aus der Perspektive
X = schwerpunktmäßig bzw.
(X) = teilweise mit untersucht
Ausgewählte Untersuchungsverfahren
PerspektiveUntersuchungsverfahrenTestname (Quelle)
KINDInhaltsanalyse,
schriftliche Schülerbefragung
kognitive Entwicklungpsychologische Tests
 
 
Schulleistungstests
 
FEW (Lockowandt 1996),
Test d2 (Brickenkamp 1994)
CPM (Raven 1956)
AST 2-4 (Rieder 1991,
Fippinger 1991, 1992)
soziale Entwicklungschriftliche Lehrerbefragung (Schüler- und Klassenprofil)Schülerprofil (Petillon/Flor 1997)
emotionale EntwicklungFragebogen zur Messung von BefindlichkeitenBefindlichkeitsskalen (Abele-Brehm/Brehm 1986)
körperlich-motorische Entwicklunganthropometrische Messungen, Spirometrie,
Muskelfunktionsdiagnostik,
Körperhaltungsanalyse
Videoanalyse (Fröhner/Böhme 1993),
Muskelfunktionstests (Kendall 1988; Janda 1986),
Haltungstest (Matthiaß 1966) u. a.
körperlich-motorische Entwicklungmotorische TestsAST 6-11 (Bös/Wohlmann 1987)
Koordinationstests (Hirtz 1985)
körperlich-motorische EntwicklungDokumentenanalyse (Unfallgeschehen)
SelbstkonzeptSelbstkonzeptskalenSelbstkonzeptskalen
(Arsendorpf/van Aken 1993)
LEHRERmündliche Lehrerbefragungen
Wochenprotokolle
ELTERNEltern-Kind-Befragung, schriftliche Elternbefragung
KONTEXT
soziale Beziehungenschriftliche Lehrerbefragung (Schüler- und Klassenprofil)Schüler- und Klassenprofil
(Petillon/Flor 1997)
KonzeptExpertenbefragungen
Lehrerbefragungen (Materialsammlung)
BedingungenBedingungsanalyse

Für jene Verfahren, bei denen weder Testnamen noch Quellen ausgewiesen sind, wurden durch die Forschungsgruppe eigene Instrumentarien entwickelt.

Ausgewählte Ergebnisse

Nachfolgend werden stichpunktartig ausgewählte Antworten auf die Frage gegeben:
Welche Wirkungen hat das Konzept der bewegten Grundschule auf die Beteiligten.

Ausgewählte Ergebnisse: Perspektive Kind
  • eine verbesserte Konzentrationsfähigkeit;
  • trotz ca. 7 Minuten Bewegungsaktivität pro Stunde vergleichbare Schulleistungen wie in den Kontrollschulen;
  • positive Wirkungen auf die soziale Entwicklung;
  • ausgeglichenere Kinder nach Auflockerungsminuten;
  • höhere Aktiviertheit bei den Kindern und geringere Nervosität vor Kurzarbeiten durch Entspannungsphasen;
  • positive Wirkungen auf die Entwicklung koordinativer Fähigkeiten;
  • damit verbunden mehr Bewegungssicherheit, was zur Senkung der Unfallhäufigkeit führte;
  • eine Erhöhung des Selbstkonzeptes;
  • insgesamt Schüler, die mit mehr Freude lernen.

Das Konzept der bewegten Grundschule erbringt erwartungsgemäß aufgrund zu geringer Belastungsreize keine Leistungsvorteile bei konditionellen Fähigkeiten, wie Kraft und Ausdauer, für die Versuchsschulen gegenüber den Kontrollschulen. Das sind und bleiben Ziele des Sportunterrichtes, der nicht durch die bewegte Schule ersetzt werden kann und darf.

Ausgewählte Ergebnisse: Perspektive Lehrer
  • Veränderungen im pädagogischen Denken und Handeln der Lehrer:
  • sind für Bedeutung der Bewegung sensibilisiert
  • verändern die methodische Gestaltung des Unterrichtes
  • planen mehr Bewegungsaktivitäten ein
  • sind toleranter gegenüber den Bewegungsbedürfnissen der Kinder
  • verzichten auf Ermahnungen zum Stillsitzen u. Ä.
  • geben Anregungen, z. B. für Veränderungen der Sitzhaltung
  • Persönlicher Gewinn aus vier Projektjahren:
  • neue Motivation
  • erhöhte Arbeitszufriedenheit
  • vielfältigeres Methodenrepertoire
  • mehr Offenheit und Toleranz gegenüber Kindern und Kollegen
  • Erkenntnisse für die eigene Lebensweise
Ausgewählte Ergebnisse: Perspektive Eltern

Mehr Bewegung im Unterricht hat dazu beigetragen, dass die Kinder …

  • den Übergang von Kindergarten in die Schule leichter bewältigen
  • spielerischer und leichter lernen
  • mit allen ihren Möglichkeiten gefördert werden
  • sich besser konzentrieren
  • einen Wechsel von Arbeit und Entspannungsphasen erleben
  • ihre Umwelt auch handelnd kennen lernen und Erfahrungen sammeln

Medien

Die detaillierten Ergebnisse sind nachzulesen in:

  • Müller, Chr. & Petzold, R. (2002). Längsschnittstudie bewegte Grundschule. St. Augustin: Academia.
  • Müller, Chr. & Petzold, R. (2014). Bewegte Schule. St. Augustin: Academia, S. 242-343.
  • Müller, Chr. & Petzold, R. (2013). Untersuchungsmethodische Aspekte bei der wissenschaftlichen Begleitung eines Konzeptes zur bewegten Schule. Leipziger Sportwissenschaftliche Beiträge 54, (2), S. 79-90.

Klassen 5 bis 9

Untersuchungsmethodisches Vorgehen (Klassen 5 bis 9)

Als analytischer Bezugsrahmen diente uns eine systematische Verknüpfung untersuchungsrelevanter Perspektiven. Das breite Feld an beteiligten Personen (Schüler, Lehrer, Eltern) legte ein mehrperspektivisches Vorgehen nahe. Unter „Perspektiven“ verstehen wir die Art und Weise, wie die verschiedenen in das Forschungsprojekt eingebundenen Personengruppen dem Projekt gegenüberstehen (Einstellungen, Akzeptanz), bestimmte Sachverhalte wahrnehmen und verarbeiten und wie sich dies in Handlungsweisen äußert. Gleichzeitig waren hierunter auch inhaltliche Aspekte zu fassen, die die jeweilige Person zum Gegenstand der Betrachtung machten.

Der Anspruch des Projektes, eine kindgerechte Schule zu gestalten, legte es nahe, der Perspektive der Schüler eine zentrale Bedeutung zu geben. Die untersuchungsrelevanten Perspektiven wurden außerdem verbunden mit dem umgebenden Kontext unter besonderer Berücksichtigung von den sozialen Beziehungen zwischen den beteiligten Personen, dem pädagogischen Konzept, den inner- und außerschulischen Bedingungen, d. h. personale, räumlich-materielle und zeitlich-organisatorische Schulbedingungen sowie Bedingungen im unmittelbaren und weiteren Umfeld der Untersuchungsschulen (Bewegungsräume und -möglichkeiten, soziale Organisationen, typische Merkmale des Schulstandortes u. a.).

SachverhaltePerspektive SchülerPerspektive LehrerPerspektive Eltern
SchülerXXX
LehrerXO
ElternOX
Kontext
– soziale Beziehungen
– pädagogisches Konzept
– inner- und außerschulische Bedingungen

X
X
X

X
X
X

X
X
X
Legende: Sachverhalt wurde aus der Perspektive
X = schwerpunktmäßig
O = teilweise mit untersucht
– = nicht untersucht

Im Rahmen einer modifizierten Kontrollgruppenanordnung wurden die einzelnen Perspektiven sowie deren gegenseitigen Beziehungen (s. Tab. 1) in einer Längsschnittstudie von 2000 bis 2005 untersucht. Der Versuchsplan kann gekennzeichnet werden als Design mit Messwiederholung (sechs Messzeitpunkte) sowie mit mehreren unabhängigen und abhängigen Variablen.

Die Auswahl der Unter­suchungs­ver­fahren erfol­gte unter den vier Gesichts­punkten: die wechsel­seitige Bezie­hung zwischen Konzept und Evaluation, das mehr­perspek­tivische Vorgehen, die Beachtung von Güte­kriterien für die Verfahren sowie von unter­suchungs­praktischen Erwägungen (Testökonomie, Alter der Schüler u. a.), die Nutzung der Erfahrungen sowie die Vergleich­barkeit mit den Unter­suchungen zur bewegten Grundschule.

Ausgewählte Untersuchungsverfahren

PerspektiveUntersuchungsverfahrenTestname (Quelle)
SCHÜLERschriftliche Eltern-Kind-Befragung
schriftliche Schülerbefragung
Inhaltsanalyse
kognitive Entwicklungpsychologische Tests
Erfassung der Schulleistung
Test d2 (Brickenkamp 2002)
Dokumentenanalyse
soziale Entwicklungschriftliche Lehrerbefragung (Schüler- und Klassenprofil)Schülerprofil (Petillon/Flor 1997)
emotionale Entwicklungschriftliche Schülerbefragungkörperlich-motorische Entwicklung
körperlich-motorische Entwicklunganthropometrische Messungen
Muskelfunktionsdiagnostik
Videoanalyse (Fröhner/Böhme 1993),
Muskelfunktionstests (Kendall 1988; Janda 1986),
Haltungstest (Matthiaß 1966) u. a.
körperlich-motorische EntwicklungKörperhaltungsanalyse
motorische Tests
AST 6-11 (Bös/Wohlmann 1987)
Koordinationstests (Hirtz 1985)
körperlich-motorische EntwicklungDokumentenanalyse zum Unfallgeschehen
LEHRERmündliche Lehrerbefragungen
schriftliche Lehrerbefragungen
ELTERNschriftliche Eltern-Kind-Befragung
schriftliche Elternbefragung
KONTEXT
soziale Beziehungenschriftliche Lehrerbefragung (Klassenprofil)Schüler- und Klassenprofil (Petillon/Flor 1997)
Konzeptmündliche Expertenbefragungen
mündliche und schriftliche Lehrerbefragungen (Materialsammlung)
Hospitationen
Schülerbefragungen
Bedingungenmündliche Schulleiterbefragung (Bedingungsanalyse)

Ausgewählte Ergebnisse

Nachfolgend werden stichpunktartig ausgewählte Antworten auf die Frage gegeben:
Welche Wirkungen hat das Konzept der bewegten Grundschule auf die Beteiligten.

Ausgewählte Ergebnisse: Perspektive Schüler
  • Die Belastungsreize der bewegten Schule scheinen zu gering zu sein, um nachweisbar positive Wirkungen für die Entwicklung konditioneller Fähigkeiten zu erzielen.
  • Bei einzelnen koordinativen Fähigkeiten zeigen sich Hinweise auf Vorteile der Versuchsschüler.
  • Die typische Zunahme der bewegungsärmeren Freizeitgestaltung mit wachsendem Alter ist bei den Projektschülern weniger auffällig.
  • Die Entwicklung der Unfallhäufigkeiten macht deutlich, dass die zusätzlichen Bewegungsaktivitäten das Unfallrisiko keineswegs erhöhen. Vielmehr ist das Erlangen von mehr Bewegungssicherheit ein wirksames Mittel der Unfallverhütung.
  • Die Konzentrationsleistungsfähigkeit wird bei Mädchen und Jungen der bewegten Schulen positiv beeinflusst.
  • Die Mehrzahl der Schüler bestätigt die entspannende und stressreduzierende Wirkung der Bewegungsaktivitäten.
  • Auf die Schul- und Lernfreude wirkt sich das Projekt sowohl aus der Sicht der Schüler und Eltern, als auch der Lehrer positiv aus.
  • Das Sozialverhalten der Schüler unterliegt positiven Einflüssen und das soziale Klima in den Projektklassen verbessert sich.
Ausgewählte Ergebnisse: Perspektive Lehrer
  • Veränderungen im pädagogischen Denken und Handeln der Lehrer:
  • Im Projektverlauf nehmen ablehnende Haltungen gegenüber der bewegten Schule ab.
  • Die Toleranz gegenüber dem Bewegungsbedürfnis der Schüler nimmt zu, wobei für die Klassen 5 bis 7 höhere Bedeutungszuschreibungen erfolgen als für die höheren Klassenstufen.
  • Als Gewinn verzeichnen die Lehrer eine gewachsene Methodenvielfalt, sowie die Zunahme der Berufszufriedenheit.
  • Potenzen der bewegten Schule werden auch in der Verbesserung des Lehrer-Schüler-Verhältnisses gesehen.
  • Der Einfluss der bewegten Schule auf die Ausgestaltung des Schulprogramms wird zunehmend erkannt.
Ausgewählte Ergebnisse: Perspektive Eltern
  • Die Eltern sind sehr sensibel gegenüber der Bedeutung der Bewegung für die Heranwachsenden und dies über alle Klassenstufen hinweg.
  • Eingefordert wird die Umsetzung der bewegten Schule durch das gesamte Lehrerkollegium bis hin zur bindenden Verpflichtung.
  • Die Eltern wollen informiert und einbezogen sein, auch in den höheren Klassen.
  • Empfohlen wird die weitere Verbreitung der thematischen Elternbriefe, da diese wertvolle Anregungen für Schüler und Eltern enthalten.
  • Reserven zeigen sich hinsichtlich der Transferwirkungen der Aktivitäten der bewegten Schule hinsichtlich der selbständigen Anwendung beim häuslichen Lernen.

Medien

  • Müller, Chr. & Petzold, R. (2014). Bewegte Schule. St. Augustin: Academia, S. 242-343.
  • Müller, Chr. & Petzold, R. (2013). Untersuchungsmethodische Aspekte bei der wissenschaftlichen Begleitung eines Konzeptes zur bewegten Schule. Leipziger Sportwissenschaftliche Beiträge 54, (2), S. 79-90.